Pastorin Nora Steen (38) ist bekannt aus der ARD-Sendung „Das Wort zum Sonntag”
Die Macht des Lebens. Auch im Frühjahr ist unser Alltag nicht nur sonnig. Doch das Erwachen der Natur ist ein wunderbares Symbol dafür, dass wir auf die Kraft der Schöpfung vertrauen können.
Wenn die ersten hellgrünen, zarten Triebe durch die dunkle, noch winterharte Erde brechen, berührt mich das jedes Mal wieder. Jedes Jahr ist es das Gleiche und doch jedes Mal so, als wäre es das erste Mal: Frühling. Eine Zeit des Aufbruchs und Neuanfangs. Auch der härteste Winter, die tiefsten Temperaturen und die schwersten Stürme können die Natur, nicht davon abhalten, wieder neues Leben hervorzubringen.
Diese unbändige Kraft zeigt mir, wie sehr auch wir darauf vertrauen können, dass das Leben stärker ist als der Tod. Dass die Schöpfungskraft stärker ist als die Zerstörungswut. Genau das feiern wir an Ostern, wenn wir der Auferstehung Jesu von den Toten gedenken. Die Macht des Todes ist durchbrochen, das Leben setzt sich durch. Das leere Grab ist ein wunderbares Symbol dafür: Mit dem Tod ist nicht alles aus, sondern es gibt Raum für Neues.
Mitten aus der Trauer heraus kann Neues wachsen. Zart, aber lebendig. Dass gerade der Frühling für viele Menschen eine schwere Zeit ist, ist da verständlich. Unser Leben ist nicht nur Sonnenschein, sondern manchmal von Stürmen, Eiszeiten und Sturmfluten durchzogen. Streit, Einsamkeit oder Krankheiten gibt es leider auch im Frühling. Wenn nun um einen herum alles wächst, blüht und sprießt und es in einem selbst so ganz anders aussieht, kann das Herz schnell schwer werden.
Wenn es Ihnen manchmal auch so geht und es sich anfühlt, als ob alles nur dunkel ist, probieren Sie vielleicht einmal Folgendes aus: Gehen Sie raus in die Natur, in den Garten oder einen Wald oder Park in Ihrer Nähe. Nehmen Sie genau wahr, was sie fühlen, sehen und hören. Konzentrieren Sie sich einen Moment lang nur aufs Hören – hören Sie Blätter rauschen, Vögel zwitschern? Dann schauen Sie sich um: Wie viele verschiedene Grüntöne sehen Sie? Gibt es schon Blumen? Welche Farben haben ihre Blüten?
Am Schluss können Sie sich zu einer gerade aus dem Boden sprießenden Pflanze hinunterbeugen. Wie zart sie ist und wie hart die Erde, aus der sie kommt. Am Ende der Exkursion lassen Sie Ihre Eindrücke Revue passieren. Vielleicht können Sie spüren, dass das, was in der Natur passiert, viel mit Ihrem eigenen Leben zu tun hat. Manchmal ist es laut in uns drin, manchmal leise.
Manchmal ist unser Leben aus hellen, schönen Farben gemalt, und manchmal sind es eher Grautöne. Manchmal fühlt sich der Alltag so an wie der harte Erdboden. Aber in all dem können wir darauf vertrauen: Das Leben, so zart und klein es auch daherkommt, ist immer stärker. Nicht nur in der Natur, sondern auch bei uns Menschen!
„Das Leben ist immer stärker als der Tod”